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Hercules Ultra 80 - Projekt 2017

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timo:
Hallo,

nachdem ich 2016 gleich 2 alte Mopeds im Paket (Suzuki GP125 und Hercules Ultra 80AC) gekauft habe, fristete die Ultra abgedeckt unter einer Pelerine so daher. Das Moped machte beim Kauf (ohne Besichtigung) keinen so schlechten Eindruck, aber bei der ersten Sichtung zu Hause wurde doch klar, dass man viele Stunden Arbeit investieren muß. Oder eben ordentlich patiniert fahren, was nicht unbedingt meine Sache ist. Sie war günstig, nicht restauriert, aber auch jetzt nicht das Modell, wo sich unzählige Stunden Arbeit lohnen würden, soviel war klar. Mittlerweile werden auch diese Modelle, nachdem Kreidler RS, Zündapp KS und die Hercules 50er Modelle kaum mehr bezahlbar sind, auch komplett weggekauft. Man findet kaum noch 80er Ultras, die wirklich preisgünstig sind. Ein paar Chopper und runtergerittene Hobel sind zu bekommen, gute unrestaurierte Ultras kosten gleich 2.500 €.

Klar, die Ultra 80 LC hat eine bessere Ausstattung, 2 Scheibenbremsen, Wasserkühlung, Halbschale, Drehzahlmesser, einstellbare Dämpfer hinten, Drehzahlmesser und auch etwas mehr Leistung (4 statt 2 Überströmer und 8,5 statt 8,1PS). Dafür sind die AC-Modelle rarer und die Motoren haben ein etwas breiteres Drehzahlband. In der Praxis ist der Leistungsunterschied dadurch fast zu vernachlässigen. Zudem war die AC der letzte Versuch, preislich gegenüber den Japanern gegen zuhalten. Kostete eine Ultra 80 LC gut 4.500 Mark, so ging die AC durch Weglassen der o.g. Aussattung für 3.500 Mark als günstigste 80er "Made in Germany" aus dem Verkaufsraum. Geholfen hat es nichts ... eine Honda MBX80 gab es für 2.995€ mit allen erdenklichen Features wie 6 Gang, Wasserkühlung, Getrenntschmierung und 9,6 PS. Die Ultra 80 AC symbolisiert somit das das letzte Aufbäumen der deutschen Zweiradindustrie, den Japaners preislich Paroli zu bieten. Ich fuhr damals übrigens auch eine schwarze Honda MBX 80 ... so eine vom Design altbackene 80er Hercules oder Kreidler konnte den Virus einfach nicht entfesseln. Die Zündapp KS80 Watercooled ging noch, war ansehnlich, schnell, aber unbezahlbar.

Heute stehen sich die 80er Japaner die Reifen platt und die alten deutschen Mopeds gehen weg wie warme Semmeln. Wie sich die Zeiten ändern.

Zurück zum Projekt Hercules.

Was machte diese Ultra 80 AC für mich interessant: Günstiger Preis, guter patinierter Zustand, nicht restauriert, nur etwas Wartungsstau und eine unübliche volle Ausstattung mit Halbschale, Chromgepäckträger und Drehzahlmesser. Damit dürfte diese AC nicht sehr viel weniger wie eine Ultra 80 LC gekostet haben oder es wurde später beim freundlichen Hercules-Dealer zugekauft. Alles original Teile, sehr wichtig. Zudem in alpinweiss (es gibt noch die Farbvariante dunkelblau), was eigentlich eher zu einem sportlichen Moped passt mit dem damals unter Lack gesetzten Design in blau-pink-rot, welches irgendwie BMW M-Power erinnert. Aus diesem Teil könnte man was machen, wenn die Tage kürzer und nasser werden. Und außerdem, so ein Moped frisst kein Brot, auch wenn es noch 5 Jahre abgedeckt in der Ecke steht.

Nun, 2017 wurden die Jahreszeiten wieder mal umbenannt in Frühling, Arschloch, Herbst und Winter. Die Kreidler Bande lief und meine Hebebühne war frei. Da fiel mir die Ultra ein ... ich könnte ja mal so locker beginnen kreativ zu werden und etwas zu schrauben. Der erste Schnellcheck der Hercules nach dem Kauf hatte ergeben, sie lief, bremste, das Lenkkopflager war kaputt, die Reifen alt, die Elektrik war OK und einige Ersatzteile wie Bremsbeläge/Bremsbacken und Lager lagen schon bereit. Sollte also nicht allzu lange dauern, bis der TÜV den Zweitakter wieder für die Straße freigibt.

Nun ... jetzt beim genaueren hinsehen ... kam doch noch das eine oder andere Problem zu Tage. Die Bremspumpe hatte über die Jahre seine Flüssigkeit unschön über die Gabel, Felge und Bremszange abgelassen. Zudem war zwar eine original Grimeca-Zange verbaut, aber die Beläge waren rund und dünn und mein Ersatz wollte so gar nicht passen. Keine Ahnung wo diese Zange herkommt. Passende Beläge konnte ich bis heute nicht auffinden. Auch die Magura-Bremspumpe hatte einen recht sonderbaren Kolben, der natürlich undicht war und wo die üblichen Reparatursätze nicht passen wollten. Auch die Bremsbacken hinten waren falsch und im Internet werden weiterhin fröhlich falsche Beläge für Ultra 50 80 angeboten. Ordentliche Online-Händler mit altem Lagerbestand für Hercules-Fahrzeuge, so wie ich es von Kreidler her kenne, wo man anhand der Ersatzteillisten bestellen kann, die gibt es anscheinend gar nicht. Das hatte ich von Hercules/Sachs so nicht erwartet. Das kann ja heiter werden, uff.

Jetzt nach der Demontage und Vermessung wusste ich zumindest was ich brauche und konnte über meine Händler so ziemlich alles organisieren was zur Wartung dringend benötigt wurde. Sogar eine komplette NOS Magura Bremspumpe wurde organisiert. Dazu gab es eine neue Bremszange und eine Stahlflex-Bremsleitung (Danke an Detlef von ABM). Die Bremsscheibe wurde bei uns plangeschliffen. Gerade bei der Bremsanlage gehe ich kein Risiko ein.

Unter dem Kneist der Jahre traten, wie bei Restaurationen gewohnt, weitere Dinge zu Tage. Die Hülsen des Fußbremshebels fielen als Brocken auf die Bühne, der Chrom der Federbeine war halb weggerostet, der Auspuff inkl. Befestigung ein teils defekter Moloch, alle Gummis kaputt, alle Lager defekt, der Ständer ausgeschlagen und bereist geschweißt ... ich könnte jetzt noch 50 weitere Dinge aufzählen. Arbeit stand an, viel mehr Arbeit wie erwartet. Da Hercules nach dem Baukastenprinzip gefertigt hat, konnte ich viele einfache Teile wie die Gummis, den Ständern u.s.w. kaufen. Die wichtige Teile waren ja alle OK und mussten nur gesäubert aufbereitet werden. Die Ultraschallanlage und die der Drahtigel liefen Abends ohne Unterbrechung. Immer wieder Entrosten, Schleifen, Lackieren ... habe mittlerweile eine Roststaub- und Fettknarzphobie. Andere Teile wie Hülsen, Stehbolzen u.s.w. wurden einfach neu gefertigt ... überall neue Schrauben verwendet ... die Ausgaben für Kleinteile hielten sich in Grenzen.
Nach langen Suchen fand ich richtig gute Federbeine im Fachhandel, die mit selbstgedrehten Sonderhülsen perfekt in das Moped (auch Kreidler) passen. Die Luftpumpen aus der Bucht für 35,00 -55,00 € sind einfach Schrott. Null Dämpfung, das Moped springt wie ein Flummi. In den Kleinanzeigen fand ich einen Auspuff für 39,00 €. Aus 2 mach 1 und die Tüte ist optisch OK, wenn auch nicht neuwertig. Aber die Ultra läuft damit ganz gut.

Somit hatte ich die Ultra technisch mindestens auf Top-Niveau, der Vergaser wurde ultraschall-gereinigt und neu bedüst, Lenkkopf, Antrieb, Rad- und Kettenradträgerlager alles neu, neue Reifen (Metzeler ME22) mit Heidenau-Schläuchen, alle Flüssigkeiten erneuert, die Gabel revidiert, Bremsen komplett vorne hinten ... ein Tritt auf den Kickstarter und rängdängdäng. Der Motor läuft ruhig und zieht halt wie ein 80er Motor ... oder sagen wir besser er nimmt Fahrt auf. 80-95 Km/h. Tuning ist bei diesem nicht angedacht. Dafür steht ein Sachs 80LC mit Waldi-Auspuff schon im Ständer. Winterprojekt ... :laugh:

Jetzt galt es nur noch, die gewünschte Optik umzusetzen. Die AC sollte sportlich werden, als Gegenpart zur silbernen oder weinroten LC, die ja irgendwie auch nicht sportlich daherkommt. So ein bisschen wie die allererste Ultra 1 in knallrot, nur eben in alpinweiss mit "M-Design". Rote Felgen gab es damals bei Hercules, nur eben nicht in einer 80er Ultra. Und ein M-Lenker mußte drauf, am besten in ganz schwarz. Sieht halt immer Racing mäßig aus und wenn man den richtigen Lenker kauft, fährt er sich auch super. Der Anbau ist, hier war es auch so, immer etwas kniffelig, da die Bremsleitungen und Spiegel gerne ansoßen und die Züge durch die Krümmung teils schwergängig gehen. Die Felgen mit Lackschäden durch die Bremsflüssigkeit gingen zum Strahlen und Pulverbeschichten. Durchgerechnet wurden insgesamt ca. 500,00 € investiert, dazu ca. 60 Stunden Arbeit + Kaufpreis. Voll OK ... absolut im Budget ... da ich die Arbeitzeit in meiner Freizeit geleistet habe. Und mein Kumpel CAN, dem ich ein großes Dankeschön sagen möchte, war fast jeden Samstag hier und hat mitgewerkelt. Das Ergebnis finde ich super, finde die olle Ultra AC macht was her, ist zeitgenössisch geblieben und hat eine schöne Patina.

Jetzt kann ich die nächsten Wochen noch etwas polieren, Lack tupfen, Schraubenköpfe polieren ... Feinschliff je nach Lust und Laune. Zumal ich das Gefühl nicht los werde, dass wir statt eines "Goldenen Herbstes" die Jahreszeiten nochmal umbenennen müssen in Frühling, Arschloch, Arschloch, Winter ... :D


So sah sie aus ... Baujahr 1982 ... 8,1 PS ... 19.000 Km ... Hercules Ultra 80 AC mit Sonderausstattung.

timo:
Die Felgen sollten das Rot der Beschriftung bekommen und einen schwarzen M-Lenker für eine sportliche Optik. Dazu ganz schwarze Federbeine und möglichst kein Chrom mehr am Fahrzeug. BUMM Spiegel ebenfalls die sportliche Version in schwarz.

timo:
Bremsanlage komplett erneuert bzw. revidiert

timo:
Farbspiel, Katzenaugen gab es schon vor der EURO 4 ... das unbändige Sachs Triebwerk mit 80 ccm befeuert durch einen 21er Bing Vergaser. Mischung 1:50 ... keine Getrenntschmierung ... Zaubertrank im Kanister anmischen.

timo:
Und so sieht sie aus ... hat sich im Vergleich zu den ersten Bildern doch etwas verändert ... und ist mal was ganz anderes wie eine Kreidler RS.

Weniger Nostalgie, weniger Kult, aber ein altes deutsches Moped aus meiner Jugend, das es durchaus verdient hat, wieder zum Leben erweckt zu werden. Fährt sich übrigens viel entspannter wie die Rennsemmel Kreidler RS. Die Restauration hat mir viel Spaß gemacht und jetzt darauf ein ... Prost!

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