Michelin begrüsste uns zur Präsentation in Spanien, im Umland von Sevilla und der neuen Rennstrecke Monteblanco.
Mit der Zeit und dem Alter wird man eigentlich reifer und lässt sich nicht so sehr durch Schickimicki und Umgarnen beeinflussen.
Was Michelin jedoch zu dieser Präsentation an Mitarbeitern und Programm aufgefahren hat, haben wir in nun all den Testjahren nicht erlebt.
Die komplette Entwicklungsmannschaft Zweirad Radial mit allen Testfahrern war vor Ort, sowie die gesamte Führungselite der Sparte Motorrad.
Das Testprogramm umfasste ganze 12 Stunden fahren, Theorie und Einzeltests.
Begonnen wurde mit einer über 200 km langen Landstraßen-Ausfahrt. Nieselregen, trockene Abschnitte und teilweise auch Sonne begleiteten uns während diese 4 Stunden. Zwei der Michelin- Testfahrer leiteten unsere kleine Gruppe mit 8 Testern.
Die Streckenführung bot alles, was einem unter die Räder kommen kann. Dank EU-Fördergelder extrem gut ausgebaute kurvenreiche Stecken mit Top Asphalt, kurvenreiche stark beschädigte Holperstrecken sowie auch sehr schnelle Teilstücke.
Zur Auswahl standen über 20 verschiedene Motorradmodelle. In unserer Gruppe waren eine Hornet 600, die neue Z1000 und 750er Kawa, eine R1600GT BMW, eine R1200RT sowie eine MT09, eine Multistrada GT und eine Speed Triple vertreten.
Der geführte Teil verlief unspektakulär. Der Michelin Road 4 ließ sich weder durch Straßenaufbrüche, nasse Stellen oder aktiv eingeleitete Unruhen beeindrucken. Was sofort aufgefallen ist: der Road 4 ist nicht im Ansatz kippelig und verfolgt stur die angepeilte Linie. Hier hat Michelin eine deutliche Verbesserung zum Vorgänger Road 3 geschafft.
Zum Ende der geführten Tour hatten wir die Möglichkeit, eine rund 15 km lange sehr kurvige aber top asphaltierte Strecke alleine zu fahren.
Ich entschied mich, im Nachgang betrachtet reichlich vermessen, den beiden Testfahrern von Michelin zu folgen. Im Prinzip, so meine Denke, ein leichtes Spiel, waren die Kollegen doch mit einer R1200RT und K1600GT doch wohl leichte Beute für mich und meine Multistrada 1200GT.
Was dann folgte hat mein Ego an diesem Vormittag doch arg in Mitleidenschaft gezogen. Nur unter Verneinung aller lebensbejahenden Instinkte war es mir möglich den Beiden zu folgen. Ja, trotz Jahren aktiv im Rennsport, hatte ich Probleme einer BMW 1600GT auf einer kurvigen Landstrasse zu folgen!
Als Ausrede und zum Selbstschutz an dieser Stelle, ja die Multistrada hatte zu Testbeginn einen Hauptständer (jetzt nur noch rudimentäre Standfüsse vorhanden) und ja, ich hatte stets etwas Furcht, dass sich die Koffer der beiden BMW beim Bodenkontakt in der Kurve irgendwann lösen.
Aber was der Road 4 bei Trockenheit abliefern kann, befindet sich bereits im Bereich der Sportreifen aus den frühen 2000ern.
Videosequenzen werden wir im Gesamtvideo einstellen, jedoch müssen wir noch retuschrieren da die Helmkamera den Tacho mit drauf hat.
Danach ging es auf die Rennstrecke Monteblanco, eine neu gebaute Strecke mit sehr vielen einzelnen abgeschlossenen Rennstreckenteilen.
Hier wurden drei Einzeltests vorgenommen.
Jeweils 4 Runden mussten wir dem Entwicklungsleiter der Radial-Motorradreifen auf einem rund 3 km langen Rundkurs folgen. Einmal auf einer kleinen Yamaha MT07 sowie einmal auf einer R1200RT. Es ist müßig zu erwähnen, dass auch hier immer am Anschlag gefahren werden musste. Der „Tourguide“ hatte wenig Verständnis fürs Bummeln. Dieser Rennstreckenteil forderte den Road 4 zwar gewaltig, hinterließ am Profil jedoch nur Abnutzungsspuren, die auf einen herzhaften Einsatz hindeuten. Keine Rutscher, keine Anzeichen von Überhitzung, sehr neutrales Fahrverhalten.
Michelin erklärte dies damit, dass es gelungen ist, am Road 4 ein Temperaturfenster von 50 Grad zu schaffen. Das bedeutet, der Road 4 funktioniert vom Gefrierpunkt bis knapp zu 50 Grad problemlos.
Lediglich am Vorderrad öffnen sich die bis ganz zur Seite heruntergezogenen Lamellen ein wenig. Die Entwickler, auf dieses Phänomen angesprochen erklärten, dass dies gewünscht sei, damit auch bei tiefer Schräglage der Wasserfilm geschnitten wird und somit auch in tiefer Schräglage noch genügend Traktion vorhanden sei.
Alle Michelin-Testfahrer haben eine neue Dainese-Rennkombi aus der Moto GP, die neben der Airbag-Funktion auch einen GPS unterstützten 2D-Sensor haben, mit dem die Beschleunigungswerte und Schräglagen gemessen werden können. Uns wurde glaubhaft versichert, dass einer der Tester, dem ich auf der Landstrasse versuchte zu folgen, am Vortag bei Regen auf der Teststrecke eine Schräglage von 40 Grad mit dem Road 4 erreicht habe. (Ein zerstörtes Bike war trotz intensiver Suche nicht aufzufinden. Daher scheint es wohl gelungen zu sein).
Im nächsten Testteil wurde das Nassbremsverhalten des neuen Michelin Road 4 mit dem des Testsiegers aus dem Tourenreifen-Test von Motorrad 2013, dem Metzeler Z8 (M/O) verglichen.
Dazu wurde eine lackierte Fläche unter Wasser gesetzt um einen Reibwert, ähnlich Glatteis, bzw. nassem Zebrastreifen zu erhalten.
Es standen zwei Yamaha FZ1 mit ABS zur Verfügung (mit Stützrädern) und es musste mit 50 km/h auf diese Fläche gefahren werden und dann im vollen ABS-Regelbereich gebremst werden. Beide Mopeds waren mit einem GPS-Messsystem ausgestattet um die Bremsverzögerungsunterschiede zu ermitteln. Diese Systeme waren jedoch komplett überflüssig. Alle Tester kamen bei rund 30% der Strecke vor dem Metzeler Z8 zu stehen, in Metern eine Strecke von rund 10 Metern.
Eindrucksvoll, was diese kleinen Lamelleneinschnitte bei diesen glatten Fahrbahnoberflächen doch bewirken.
Was im letzten Testteil von uns verlangt wurde, habe ich bei bisher keiner Produktpräsentation so erlebt.
Eine rund 1 km lange kurvige Teststrecke wurde bewässert und wir sollten nun 4 Runden so schnell wie möglich diese Strecke umrunden. Keine Stützräder, kein Tourguide, nein, rauf und los.
Zuerst musste eine sehr fiese Linkskurve gefahren werden, die dann zuzog und zusätzlich dann bergab in eine weite Rechts überging. Hier sollte so schnell wie möglich durchgefahren werden. Auf der folgenden Geraden musste auf 110 km/h beschleunigt werden und dann an zwei Pylonen innerhalb einer abgesteckten Strecke eine Vollbremsung gemacht werden. Wer diese abgesteckte Strecke nicht einhält, muss am Abend eine Runde Bier bezahlen. Danach wieder voll beschleunigen, eine weitere Linkskurve, diesmal mit rund 2 cm Wasserbach zusätzlich geflutet und dann auf der folgenden Geraden eine Übung, die ich bisher noch nie im Leben bei Trockenheit freiwillig gemacht habe:
Mit 70 km/h in eine durch Pylonen vorgegebene Linkskurve einfahren und dabei eine Vollbremsung im ABS-Regelbereich machen. BEI NÄSSE, VOLLBREMSUNG und dabei AUSWEICHEN??? Sind die ganz bei Trost?
Kurzum…geht…Verlangt zwar das Körpergewicht komplett nach Links zu verlagern und wider allem Gelernten die Bremse beim Ausweichen nicht aufzumachen....aber es geht??!!
Hätte uns einer das vorher gesagt, wir hätten es in den Bereich des Motorradlateins geschoben, aber es ist möglich, zumindest mit dem Road 4.
Zusammenfassend müssen wir sagen…Es gibt aus unserer Sicht aktuell keinen Reifen mit Strassenzulassung der ein solches Nässepotential aufweist. Wenn die Laufleistung so ist, wie von Michelin versprochen, muss den Road 4 in 2014 bei den Reifentests zu den Gewinnern zählen. Das bei den Testmotorrädern vorhandene Ablaufbild lässt auf eine hohe Laufleistung schliessen.
Das kippelige Fahrverhalten vom Road 3 ist komplett verschwunden.
LG
Bodo